Ausprobiert

Test: Das Canon EF 11-24mm 1:4,0L USM – 1

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Weite Räume, weite Blicke! Mit den 11 Millimetern des Canon EF 11-24mm 1:4,0L USM ist es wie mit der Freiheit an sich. Man muss damit umgehen können, sonst verliert man sich. Da ich keine erfahrene Landschaftsfotografin bin, werde ich euch dieses beeindruckend dicke und über ein Kilo schwere Zoom auf meine Weise näher bringen. In mehreren Schritten. Ich fange an mit einem – natürlich im übertragenen Sinne – nahezu weißen Blatt Papier, auf das ich mit einfachen Mitteln möglichst viel räumliche Tiefe bringen möchte.

Sehen ist immer auch Wissen

Hierzu muss ich mir zunächst im Klaren sein, dass das Auge immer nach Anhaltspunkten sucht. Es sucht nach Dingen, die es kennt, dessen Form und Größe es einschätzen kann. Nur wenn es diesen Vergleich hat, kann es die Tiefe eines Raumes ermessen. Der Strommast auf dem Titelbild ist so ein Ding. Aus unserer Erfahrung wissen wir, wie groß ein Mast in etwa ist. Die Leitungen sehen wir täglich, können ihre Höhe und Länge also ungefähr in unser Wahrnehmungssystem einsortieren. Je kleiner der Mast uns erscheint, desto weiter muss er weg sein. Verschwindet er zudem noch in einem leichten Dunst, wird er leicht unscharf, dann wirkt seine Entfernung noch größer. In der Malerei nennt man das Luftperspektive, die in der Fotografie 1:1 funktioniert. (Casper David Friedrich und z.B. William Turner waren Meister darin.)

Anhaltspunkte fürs Auge

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Je mehr Anhaltspunkte das Auge hat, desto besser kann es die Tiefe eines Raumes unmittelbar und sofort für sich definieren. Schneide ich, wie im letzten Foto der Galerie oben, jeden Anhaltspunkt weg, so erscheint das Foto zweidimensional. Schaue ich genau hin, dann können mir meine Erfahrungen vielleicht noch den Begriff „Überlandleitungen“ hochpoppen, doch auf den ersten Blick, sehe ich lediglich ein paar Linien, die ein Stift auf Papier gezeichnet haben könnte.

Blick auf einen Werkshof
24 mm bei f/4,0 – Die kleinen Häuser verschwinden im Nebel. Sie geben uns dennoch einen Anhaltspunkt, also einen Größenvergleich.

Horizonte – Struktur für das Ultraweitwinkel

Wenn ich mit einem Super – oder einem Ultraweitwinkel wie diesem hier fotografiere, wird mir immer wieder bewusst, wie wichtig es ist, ein Bild klar zu strukturieren. Natürlich kann ich auch spontan draufhalten und später mit dem Schnitt des Fotos spielen, doch die optimale Vorgehensweise ist das nicht. Denn es kommt dann auch auf die Möglichkeiten der genutzten Kamera an. Ich habe alle Fotos für diesen Artikel mit der 5DsR gemacht, die extreme Schnitte erlaubt. Dennoch versuche ich immer, schon das Originalbild möglichst in die richtigen Verhältnisse zu bringen. Das klappt nicht immer, aber ich arbeite daran.

Blick in ein Hafengelände
24 mm bei f/6,3 – Die Vertikalen beziehen sich auf die Fläche. Die Tanks begrenzen den Blick. Hier sieht man sehr schön, wie wenig das Ultraweitwinkel verzerrt.

Unten habe ich ein paar weiter Beispiele zusammengestellt, die zeigen, wie ich den Raumeindruck eines Fotos nur durch die Verschiebung des Horizontes verändern kann. Die Frosch- und die Vogelperspektive dürften in diesem Zusammenhang allgemein bekannte Begriffe sein. Solange der Horizont recht hoch liegt, unser Auge also den breiten Fluss überqueren muss, um weitere Details zu erkennen, wirkt das Bild sehr tief. Schneide ich den Fluss nahezu weg und lege den Horizont sehr tief, bleibt die Entfernung der Gebäude zwar gleich, aber der Gesamteindruck ist wesentlich flacher. ( In den Bildunterzeilen habe ich das noch einmal genau beschrieben.)

Eine andere Art der Fotografie

Das Canon EF 11-24mm 1:4,0L USM hat eine durchgehende Lichtstärke von 4,0. Extreme Offenblenden gibt es mit ihm also nicht. Dafür ist das Ultraweitwinkel auch nicht entworfen, denn die gehobene Landschafts- und Architekturfotografie setzt auf Tiefenschärfe und Detailreichtum in allen Bildebenen.

Unten im Vergleich ein paar Fotos auch aus der 5DsR, aber mit dem 300er 1:2,8 bei Blende 2,8. Natürlich ist mit diesem Objektiv der Ausschnitt deutlich enger. Sein Schwerpunkt liegt meines Erachtens in der Erfassung eines Einzelmotives vor einem eher nebensächlichen Hintergrund. Letzterer ist zwar für die Bildgestaltung von großer Bedeutung, doch er liefert in der Regel keine wesentlichen Informationen zum Bildinhalt. Die kompositorischen Mittel bleiben zwar unverrückbar die gleichen, dennoch ist es eine vollkommen andere Art der Fotografie. (Den Eindruck der unterschiedlichen Raumtiefen, habe ich unter den Bildern beschrieben.)

Der Sog der Linie

Spuren, Linien, Wege leiten unsere Augen durch ein Bild. Sie saugen sozusagen unseren Blick in die Tiefe des Raum. So wie oben die Stromleitungen, die uns aus dem Vordergrund des Fotos mit einem leichten Schwung zum dem Mast ganz weit hinten führen. Wir können gar nicht anders, als ihnen zu folgen. Die Architekturfotografen Hufton + Crow z.B. und Landschaftsfotografen wie der Franzose David Koechkerian beherrschen das Spiel mit Linien im Raum virtous.

„Du musst die Regeln kennen, die du brechen willst!“ Der Spruch ist alt aber treffend. Kein Mensch ist gezwungen, sich bei der Fotografie an die Regeln der Bildkomposition zu halten. Doch nicht selten haben gerade die besonders radikal und vermeintlich chaotische anmutenden Fotos einen sehr strengen Bildaufbau. Man sieht ihn nur nicht auf den ersten Blick.

Das alles mag nun den Eingefleischten sehr banal und selbstverständlich ans Ohr dringen, doch diesen Prinzipien muss man sich erst einmal bewusst sein, bevor man mit einem fetten Oschi wie dem 11-24mm 1:4,0 loslegt. Ein Ultraweitwinkel ist kein Durchschnittsalltagswerkzeug, schon gar nicht zu einem Preis von rund 3.000 Euro. Man muss Willen und Plan haben, um es richtig nutzen zu können. Experimente natürlich immer erlaubt! Aber dazu bald mehr.

Im nächsten Teil widme ich mich dann den stürzenden Linien. 

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Keyfacts zum Canon EF 11-24mm 1:4,0L USM:

Typ – Ultraweitwinkel Zoomobjektiv
Zielgruppe – ambitionierte Hobbyisten /Profis
Best for – Landschaft / Architektur
Gewicht– 1180 Gramm
Lichtstärke – 1:4,0
Bildwinkel diagonal – 126, 5 -84 Grad
kleinste Blende
 – 22
Naheinstellgrenze – 28 cm bei 24mm
AF-Motor – Ring-USM, manuelle Einstellung möglich
Optischer Aufbau – 16 / 11
Best with – am besten auf der Canon EOS 5Ds und der Canon EOS 5DsR

My two cent – Spezialistenlinse mit unglaublich vielen Möglichkeiten

Preis: rund 3000,- Euro

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Freie Autorin mit einem starken Hang zur Fotografie

4 Comments

  1. Marion Eckardt-Grefermann Reply

    Dankeschön für diesen wunderbar informativen Artikel mit Ausflügen in mir bekannte Gefilde der Kunst. Die Bilder habe das großartig demonstriert, und ich habe einen Wissensgewinn.
    Gruß Marion Eckardt-Grefermann

    • Oh wie schön! So ein spontanes Feedback. Ich bin der Kunst und der Kunsttheorie groß geworden. Jetzt helfen sie ganz enorm zur Darstellung der wesentlichen Punkte.

      Entspannte Grüße

  2. Pingback: Irgendwann ist nur noch Farbe - Doctor Speed

  3. Pingback: 46. Löwe von Bonn - Gefecht auf allen Ebenen - Doctor Speed

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