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Ich gehe hier mal kurz Off Topic, weil ich meinen Kopf durchlüften muss. Seit Wochen arbeite ich an meiner Artikelreihe über die Canon EOS 1D X MARK III, fühle mich aber gerade nach einer Fingerübung, die mich vielleicht ein bisschen locker macht. Musik ist mir dabei sehr hilfreich, insbesondere wenn viele Erinnerungen an ihr hängen.
Ich komme oft auf Songs aus meiner späten Schul- und meiner frühen Studienzeit zurück. Einige von ihnen haben Geschichte geschrieben, weil sie damals schon zeitlos waren und die folgenden Musikergenerationen inspiriert und geprägt haben. Andere sind eng verbunden mit großen Ereignissen. Eines meiner allergrößten Musikevents überhaupt fand kurz vor meinem einundzwanzigsten Geburtstag am 11.Juni 1988 im alten Wembley Stadion in London statt. Zu Nelson Mandelas siebzigsten Geburtstag kamen fast hundert internationale Stars aus der ganzen Welt zusammen.
Das musikalische Schlüsselerlebnis
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An diesem Abend war ich mit Freunden auf einer privaten Party nahe der niederländischen Grenze. Im Poolhaus des Gastgebers hatten wir dicke Boxen an einen Fernseher angeschlossen. Ich weiß nicht mehr wie viele Leute da waren, aber es war voll und wir hatten den Spaß unseren Lebens. Die Musik, dieses Ereignis weit weg in London, in sechzig Länder live übertragen. Nur nicht nach Südafrika.
Die Simple Minds waren schon immer eine meiner Lieblingsbands, aber als sie damals Mandela Day performten, war ich vollkommen weggetreten vor Begeisterung. Schon sechs Jahre zuvor, 1982, hatte ich einen wochenlangen, sehr zähen Kampf mit meinen Eltern ausgefochten, weil ich die Band unbedingt in der Zeche in Bochum live sehen wollte. Mit Gebrüll, Türen Knallen und allem, was dazu gehört. Da war ich noch nicht einmal fünfzehn. Schließlich gaben sie nach und ich durfte, in Begleitung älterer Freunde, Jim Kerr ganz nah erleben. Der Sound in dem recht kleinen, alten Backsteinbau war eine Katastrophe, aber das störte mich wenig.
Ein brillanter George Micheal und ein Fish in Flammen
In Wembley indes sang George Micheal mal wieder alle an die Wand. Man muss die Songs nicht mögen, aber was für eine Stimme! Fish sah aus, als stünde er in Flammen, als er mein geliebtes Keyleigh quasi heraus brüllte. Vor 76.000 Zuschauern im Stadion und vielen Millionen vor den Fernsehern, so wie wir an diesem Abend, stand dann plötzlich ein Mädchen ganz allein mit ihrer Gitarre auf der riesigen Bühne. Sie trug einen Schlabberpulli und war offensichtlich sehr nervös. Zunächst nahm niemand Notiz von ihr, doch als sie anfing zu singen, wurde es still. Nicht nur im Poolhaus, sondern auch im heiligen Stadion. Tracy Chapman sang die ersten Zeilen von „Fast Car“. Psssst! Die ganze Welt hörte ihr in diesem Moment zu. Das muss man erst einmal schaffen.
New Romantic und New Wave – Musik ohne Grenzen
Ein paar Jahre zuvor warfen die New Romantics nicht nur großartige Musik, sondern auch einen neuen Look unter Teenies wie uns. Wir waren brennende Fans von Duran Duran, Spandau Ballet und Tears for Fears. Kultsongs wie Blue Monday von New Order oder Our Darkness von Anne Clark kamen etwa zur gleichen Zeit aus einer ganz anderen Ecke. Aber ob nun New Romantics oder New Wave, alle diese Songs bringen mich noch heute vom ersten Takt an in den Groove von damals. The Police stand, zumindest für mich, immer für sich allein. Sie waren im wahrsten Sinne des Wortes outstanding.
Was haben The Police mit einem Cordsofa gemeinsam? Beide sind prägend.
Nachhaltig geprägt haben mich Simple Minds, Depeche Mode und eben jene Band The Police. Sie sind bis heute die Essenz meiner ganz eigenen Popmusikgeschichte. Sting spielte übrigens auch im Rahmen des Mandela-Tributs 1988, als ich mir am frühen Morgen ein Nickerchen auf einem Sofa gönnte. Es war mit einem dunkelbraunen, sehr festen Cord bezogen. Ein typisches Relikt aus den Endsiebzigern. Heute wäre es ganz sicher wieder ganz oben auf der Hipster Skala, doch das wusste ich damals noch nicht zu schätzen. Denn es stempelte eine nette Anzahl von wie mit dem Lineal gezogene Streifen in mein Gesicht, die ich bis zum folgenden Abend nicht mehr los werden sollte.
Ebenso wie der Cord auf meiner rechten Wange hinterließ ich sodann wohl selbst einen bleibenden Eindruck bei den Eltern des Gastgebers, als ich auf der Suche nach einem Handtuch ihre Villa durchkämmte. Bei Sonnenaufgang hatte sich der harte Kern der Partygesellschaft gemeinschaftlich im Pool versenkt. In noch etwas beduseltem Kopf verlor ich auf Nimmerwiedersehen eine Kontaktlinse, musste also tropfnass losrennen und meine Brille holen. Ich hasste sie, aber immerhin konnte ich wieder klar gucken und auf die Suche nach besagtem Handtuch gehen.
Nur für die Musik – Krabbeltiere auf dem Perserteppich
In meinem sehr knappen und vor allem sehr nassen Bikini stolperte ich ins Haupthaus. Am Eingang der Küche versuchte ich, mich zu orientieren. Mein Blick fiel nach rechts. Der Hausherr saß beim Frühstück. Seine Frau, um 7:00 Uhr makellos gekleidet und geschminkt, stand an der mit grauen Marmor gekrönten Küchenzeile und zelebrierte einen Kaffee. Und ich tropfte den drei mal vier Meter großen Perser voll.
„Guten Morgen!“, sagte ich artig. „Darf ich fragen, wo das Bad ist. Ich bräuchte ein Handtuch.“ Wortlos wies der Hausherr nach rechts. Seine Frau starrte mich an. Tatsächlich fand ich das Bad, klaubte ein großes Saunatuch aus dem Regel und lief den gleichen Weg wieder zurück. „Sind dort draußen noch mehr von Ihnen?“ Dieses von Ihnen klang, als spräche sie über lästige Krabbeltiere, die vom Kammerjäger hinausgefegt gehören. „Ja, ein paar noch. Die meisten sind schon weg. Danke noch einmal für das Handtuch!“ Sie wird es wohl später verbrennen, mutmaßte ich auf meinem Weg zurück zum Poolhaus.
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Diese recht absurde Szene werde ich niemals vergessen, doch die Erinnerung an das Konzert überlagert alles. Es war einfach großartig und wird es immer bleiben. Zwei Jahre später war Mandela endlich frei.
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